Zeitzeugengespräch

Zeitzeugengespräch mit Mina Gampel

Mina Gampel, eine jüdische Zeitzeugin und Malerin, die in Stuttgart lebt, war vor den Osterferien bei den achten Klassen des Albertus-Magnus-Gymnasiums zu Gast. Im „Vernetzten Unterricht“ dieser Klassenstufen steht das Thema „Buchreligionen“ im Mittelpunkt.
Gampel wurde 1940 in Pinsk (Weißrussland) geboren. Sie wuchs ab 1945 im polnischen Szczecin/Stettin auf. Im Jahr 1957 wanderte sie nach Israel aus, seit 1967 lebt sie in Deutschland. Frau Gampel arbeitete u.a. in der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW) und war lange Jahre im Vorstand des Sportbunds „Makkabi“ aktiv. Seit vielen Jahren ist sie eine erfolgreiche Malerin, stellt an vielen Orten aus und lädt einmal im Jahr zu einem Tag der offenen Tür ein. Auch in das Albertus-Magnus-Gymnasium brachte sie vier Gemälde mit.

Schulleiter Georg Braun verwies zu Beginn der Veranstaltung auf das Thema „Dialog“, auf das Rahmenthema, mit dem sich das Albertus-Magnus-Gymnasium in diesem Schuljahr, dem 40. seines Bestehens, in verschiedenen Veranstaltungen beschäftigen möchte. Auch die Schule sieht Braun als „Dialogort“ – an diesem besonderen Tag mit Frau Gampel als Gesprächspartnerin. „Sie schreiben in Ihrer Autobiographie ‚Meine vier Leben‘“, so Braun in seiner Begrüßung, „wer mich fragt, wo meine Heimat ist, dem sage ich: Deutschland.“ Das vermag zu überraschen, ist doch Ihre Geschichte eine Geschichte der Flucht, ausgelöst durch den Überfall und Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in Polen und der Sowjetunion, das so viel Unheil über Europa und Ihre jüdische Bevölkerung gebracht hat. Sie sprechen auch von einem bewegten Leben, liebe Frau Gampel, und von dem, was Ihnen wichtig war und ist – Ihre Kunst (die ja das Leben vertieft), die Familie, die jüdische Gemeinde und das Lesen, auch die Beschäftigung mit der Philosophie.“

Mina Gampel trug zu Beginn einleitende Gedanken ihrer Biographie vor und wählte dann Stationen ihres Lebens aus. Der Krieg zerstörte das Leben der Familie, von acht Kindern starben drei. Nach 1945 begannen ruhigere Jahre, aber Gampel heiratete früh, bekam drei Kinder und stand immer wieder vor Neuanfängen. In Deutschland habe sie schließlich Wurzeln geschlagen, hier habe sie das aus sich machen können, wovon sie träumte. Ein Wunsch, der in Erfüllung ging, war es, Malerin zu werden. In diesen Wochen, so Gampel, stelle sie in zwei Galerien aus, unter anderem in Polen. Die Fragen der Schülerinnen und Schüler gingen vom Persönlichen (etwa von der Angst um ihre beiden Kinder in Israel, dem Umgang mit religiösen Vorschriften oder Erfahrungen der Diskriminierung in Deutschland) zu großen Themen (wie dem Nahost-Krieg) über. Gampel erzählte als Israelin von ihrer Sicht auf den 7. Oktober 2023, ihren schwierigen Erfahrungen, was verlässliche Abmachungen zwischen Juden und Arabern angeht, oder der bedrohten Sicherheitslage Israels. Mit Energie und Begeisterung rief sie außerdem zum Einsatz für die Demokratie und für den Dialog zwischen Juden, Muslimen und Christen auf. Sie habe ihre eigenen "Zehn Gebote" verfasst, in denen es unter anderem darum gehe, nicht aufzugeben, immer wieder neu zu lernen und aus einer Haltung der Liebe heraus zu handeln.
Viele Schülerinnen und Schüler kamen anschließend noch zu einem kurzen Gespräch nach vorne. Mina Gampel dankte für das Interesse der Achtklässler: „Am liebsten würde ich euch alle in meine Wohnung einladen!“

Fotos: Hagemann

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