Theater-AG 2023/24

   Agatha Christie: „Das Spinnennetz“ 

Nach dem literarisch anspruchsvollen Stück „Andorra reloaded“ (nach Max Frisch) im letzten Jahr brachte die Theater-AG des AMG unter der Leitung von Marcella Falkner und Ingo Schweizer dieses Jahr das Kriminalstück „Das Spinnennetz“ (1954) aus der Feder der beliebten und erfolgreichen Krimiautorin Agatha Christie (1890-1976) auf die Bühne.

In einem englischen Landhaus in Kent. Ein Mann, Oliver Costello (Jan Getz), der dort zuvor eine gewisse Mrs. Brown besuchen wollte, wird tot aufgefunden. Ermordet. Aber wer HAT ihn ermordet – und warum? Wer hatte ein Motiv? Die Dame des Hauses, Clarissa Hailsham-Brown (Lara Koller)? Oder ihr Ehemann, der Diplomat Henry Hailsham-Brown (Benjamin Bannow)? Oder vielleicht doch ihr Vormund Sir Rowland (Hendryk Ferreira Grabowski)? Da sind aber auch noch die Haushälterin Elgin (Johanna Heinrich) und ihr Mann, die Gärtnerin Mildred Peake (Franziska Nagel), die Stieftochter Pippa (Cara Pfender) und Gäste des Hauseswie Victoria Birch (Tara Siegmann) und Jeremy Warrender (Jonathan Niederberger)… Oder kam womöglich ein Fremder ins Haus? Und wo überhaupt ist die Leiche hin? Inspector Lord (Madita Kirschbaum) tappt im Dunkeln… 

Das Stück folgt in weiten Teilen dem für Agatha Christie typischen Muster der „locked room mysteries“, bei dem alle als Täter infrage kommenden Personen in einem abgeschlossenen Raum isoliert sind. Einziger Schauplatz ist der Salon des Landhauses. Und schon gleich am Anfang zeigt der harmonisch-sinnliche Tanz zwischen Sir Rowland und Victoria Birch, dass die Dinge in diesem Stück oft nicht so liegen, wie andere Protagonisten das vermuten, denn diese gehen davon aus, dass das Paar sich in der Bibliothek über Schmetterlinge streitet.

Viele geschickt gelegte falsche Spuren ließen das Publikum miträtseln bis zum Schluss, denn zwar wussten die Zuschauer*innen mehr als Inspector Lord, aber eben doch zu wenig, um dem Mörder frühzeitig auf die Spur zu kommen. Dieses Spannungsverhältnis zwischen Wissensvorsprung einerseits und dem Fehlen der ausschlaggebenden Hinweise andererseits stellte einen besonderen Reiz der Aufführungen dar.

Im Verlauf des Stücks stellt sich heraus, dass die meisten Charaktere es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen, so etwa die mit viel Phantasie begabte Clarissa, der den wahren Grund seines Besuchs verschleiernde Costello, die skurrile Gärtnerin Mildred Peake, die, wie sich später herausstellt, gar nicht Mildred Peake heißt, der in Diplomatenkreisen verkehrende Ehemann Henry mit seiner Geheimniskrämerei, der seine wahren Beweggründe perfekt überspielende Jeremy Warrender und selbst die 12-jährige Pippa, die sich in Schwarzer Magie versucht. Am Ende ist es dann gar nicht Inspector Lord, die den Mörder überführt, sondern es ist der Kombinationsgabe Clarissas und Sir Rowlands zu verdanken, dass der Mörder entlarvt und festgenommen wird. Dabei stellt sich heraus: Der Mörder ist doch nicht immer der Gärtner…?

Neben der Suche nach dem Mörder bot sich dem Publikum auch ein wunderbares Panoptikum an Stereotypen der englischen Upper Class dar (Hauspersonal mit distinguiert vorgetragenen gegenseitigen Beschuldigungen, Golfspielen, Eliteschule, Diplomatenkreise, keine Notwendigkeit arbeiten zu gehen für die Dame des Hauses, Pralinen auf dem Sofa, Schnittchen, Cognac…), wobei der dem Stück schon zugrundeliegende sprichwörtliche britische Humor noch ins Groteske gesteigert wurde, etwa als die Leiche unter den Klängen des Walzers „An der schönen blauen Donau“ und mit dazu passenden Tanzbewegungen in eine Geheimkammer verfrachtet wurde -  unter Zuhilfenahme einer Moulinex, denn da der Tote für die Kammer zu groß war, mussten ihm die Unterschenkel abgesägt werden…

Auch an anderen Stellen kamen immer wieder besondere theaterästhetische Mittel zum Einsatz, die den Hergang verfremdeten, verstärkten oder kommentierten und damit das in die Jahre gekommene Agatha Christie-Stück wohltuend aktualisierten. Besondere Erwähnung sollen hier die allesamt von Hendryk Ferreira Grabowski (J1)  für das Stück in Szene gesetzten Tanzchoreographien finden. Ein weiteres Highlight in diesem Zusammenhang war die in den Vorstellungen am Donnerstag und Sonntag zum Einsatz kommende Schulband mit Sarina Plieniger (J2, Gesang), Moritz Huber (J2, Schlagzeug) und Johannes Schöbel (J2, Gitarre). In geheimnisvolles rot-grünes Licht getaucht, griff die Band durch die vorgetragenen Stücke „Murder On The Dancefloor“ und „Gangsta’s Paradise“ die Krimi-Thematik perfekt auf und gestaltete sie musikalisch mit.

Die Schauspieler*innen meisterten mit Bravour ihre z.T. sehr anspruchsvollen Rollen: Lara Koller (J1) in ihrer Hauptrolle als Clarissa je nach Erfordernis verträumt, verspielt, tröstend, ausgleichend, emotional, aggressiv, rational, zögerlich, entschlossen oder scharfsinnig kombinierend; herrlich schrullig Franziska Nagel (J1) in ihrer Rolle als Mildred Peake, wenn sie mit Gummistiefeln und Blumenkohl auf die Bühne kommt oder mit ihren Trockenübungen hinter dem Sofa unbeabsichtigt die ganze Gruppe in Panik versetzt; Cara Pfender (J1) als Pippa gekonnt kindlich und variantenreich in ihren verschiedenen Beziehungen – vertrauensvoll zu ihrer Stiefmutter Clarissa, verknallt in den Hausgast Jeremy, panisch gegenüber ihrem neuen Stiefvater Oliver Costello, der sie mitnehmen will; mit starker Bühnenpräsenz Hendryk Ferreira Grabowski (J1), der, ganz Gentleman, als Onkel Rowly in der Familie das Sagen hat; Jonathan Niederberger (J1) als Jeremy Warrender vordergründig charmant, zuvorkommend,  kooperativ, aber in unbeobachteten Momenten eiskalt berechnend; Tara Siegmann (J1) als Victoria, offenbar im Geheimen liiert mit Sir Rowland, befreundet mit Clarissa, Beatles-begeistert wie diese und in entsprechendem poppigen Outfit, selbstbewusst, aber auch  zurückhaltend und besonnen, vor allem wenn es um die Leiche geht…; Madita Kirschbaum (10c) als Frau Inspector Lord, mit wachem Blick, hochkonzentriert, haarscharf kombinierend, aber dann doch nicht klug genug – April, April! Und wieder lässt der britische Humor grüßen, wenn sie nichtsahnend die Moulinex der Hausangestellten zum Aufräumen in die Hand  drückt…; Henry Hailsham-Brown, gespielt von Benjamin Bannow (10a): eine Karikatur des etwas steifen britischen Ehemanns in diplomatischen Diensten, der geheim halten will, was bereits in der Zeitung steht…

Besonderer Erwähnung bedürfen die Rollen von Oliver Costello und Mrs. Elgin. Herr Getz, Referendar am AMG, sprang kurzfristig für einen Schüler ein, damit das Stück in der geplanten Form gespielt werden konnte. Wenn man bislang nichts mit Theaterspielen zu tun hatte, erfordert das großen Mut. Herzlichen Dank, Jan, dass du für uns ins kalte Wasser gesprungen bist. Du warst ein famoser Costello und eine beeindruckende Leiche!

Unser Dank gilt ebenso Johanna Heinrich (10a), die kurzfristig für eine Mitschülerin die Rolle der Hausangestellten Elgin übernahm, was angesichts zwar kurzer, aber zahlreicher Auftritte ebenfalls eine Herausforderung war. Herzlichen Dank, Johanna!

Den passenden Rahmen für die dargestellte Upper Class-Society bildete der von Ulrike Reinhard als  professioneller Bühnenbildnerin samt Geheimtür gezimmerte und  mit gemustertem Stoff ausstaffierte Salon. Wir können uns glücklich schätzen, dass Frau Reinhard (Herrn Schweizers Frau) in zeitaufwändigem Verfahren (und dazuhin ehrenamtlich!) diese Aufgabe  übernommen hat. Herzlichen Dank!

Auch die Technik-AG, an den drei Abenden in unterschiedlichen Besetzungen und unter der Leitung von Martin Buchholz, trug mit Licht, Ton und sogar schauspielerischen Einsätzen (Polizist Miller) zum guten Gelingen der Theaterabende bei. 

Abschließend danken wir  Noemi Vees (J1) für die aufwändige Gestaltung unseres schönen, zur Entstehungszeit passenden Retro-Theaterplakats sowie den vielen Helferinnen und Helfern, die uns im Vorfeld und an den Abenden selbst beim Kartenverkauf und beim Catering unterstützt haben. In bewährter Weise war auch der GTB beim Stellen der Stühle behilflich. Vielen Dank allen Beteiligten!

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