Feierliche Einweihung des Synagogenplatzes

Großes Engagement im Zuge der Neugestaltung

Seit ca. 20 Jahren engagieren sich Schülerinnen und Schüler des AMG bei der Gestaltung und Pflege des Stuttgarter Synagogenplatzes, jenem Gedenkort in der König-Karl-Str. in Bad Cannstatt auf dem von 1876 bis 1938 eine Synagoge stand. Nach der Neugestaltung, die im Jahr 2020 angestoßen wurde um den Platz für Besucher attraktiver zu machen, wurde der Platz am 26. Oktober 2022 nun feierlich eingeweiht.

Schüler*innen der diesjährigen 10c wirkten im Vorfeld bei der Gestaltung und Pflege aktiv und mit großem Einsatz mit. Die Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft, Barbara Traub, dankte ihnen und ihrem Lehrer Alfred Hagemann bei der Einweihungsfeier für ihr Engagement und betonte: "Das Wichtigste [...] ist der Platz, den ihr den Menschen in euren Herzen einräumt."

Weitere Informationen über das ursprüngliche Projekt der Gestaltung des Gedenkplatzes finden Sie unten im farbigen Infokasten.

Außerdem gelangen Sie hier zum Artikel der Stuttgarter Zeitung (vom 27.10.2022; pdf) und zum Bericht des SWR über die feierliche Einweihung.

 

Die Hintergründe über die AMG-Beteiligung an der Neugestaltung des Synagogenplatzes

Das Schüler- und Kunstprojekt des Albertus-Magnus-Gymnasiums markiert den Beginn einer neuen Gedenkkultur in Stuttgart um das Jahr 2000 herum. Viele weitere bürgerschaftliche Projekte folgten, etwa die „Stolpersteine“-Initiativen oder die Gedenkstätte „Zeichen der Erinnerung“ am Nordbahnhof Stuttgart, die erst zwei Jahre später (2006) erbaut wurde.

Die Initiative des Bundespräsidenten Roman Herzog für einen „Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus“ warb im Januar 1996, mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, für einen angemessenen, in die Gegenwart und die Zukunft gerichteten Umgang mit der Erinnerung. Besonders die Schulen wurden dazu aufgerufen, neuartige Formen des Erinnerns zu entwickeln.

In der Reihe seiner Projekte zu diesem neuen „Gedenktag 27. Januar“ machte des Albertus-Magnus-Gymnasium Stuttgart im Januar 2001, mitten in der Diskussion um das Berliner Holocaust-Mahnmal, das Angebot eines Workshops unter dem Titel „Denkmal, Mahnmal, Erinnerung“, der von dem Stuttgarter Künstler Michael Deiml konzipiert und durchgeführt wurde. Matthias Lutzeyer (Kunstlehrer) und Dr. Alfred Hagemann (Religion/Deutsch) begleiteten das Projekt als Fachlehrer.

Kleingruppen erhielten einen „fiktiven“ künstlerischen Auftrag für den „Gedenkort ehemalige Synagoge in Bad Cannstatt“. Ziel war es, eine künstlerische Form zu finden, die im Cannstatter Straßenbild die Erinnerung wach halten und gleichzeitig in die Gegenwart und Zukunft wirken, etwa ein bleibendes Zeichen für Toleranz und den Umgang mit Minderheiten setzten würde. Die aktuelle Situation des Platzes war ebenso zu berücksichtigen wie der bereits vorhandene Gedenkstein und die ihn umgebende Grünanlage aus den Jahren 1961 bzw. 1987.

Die zweite Phase des Projekts, die Planung und praktische Ausarbeitung, erfolgte dann im Kunstunterricht bis Mitte Juni 2001. Etwa drei Wochen vor dem Schlusstermin diskutierte Deiml die Entwürfe mit den Arbeitsgruppen. Eine Jury prüfte zum Abschluss die fünf Modelle und verlieh die von Rachel Dror (Stuttgart) gestifteten Preise.

Den ersten Preis erhielt die Arbeitsgruppe von Sebastian Rupf, Andy Hartono und Nathalie Huber für ihren Entwurf „Denkmal erfahren. In der Begründung der Jury heißt es dazu:

„Die Arbeit ist als spannungsvolles Pendant zum alten Denkmal konzipiert worden. Aus beiden Elementen entsteht ein begehbares Gesamtkunstwerk und es werden dadurch zwei Phasen des Umgangs mit Erinnerung und Gedenken nachvollziehbar. Der Umraum des Gedenksteins, der eigentliche Standort der Cannstatter Synagoge, der zurzeit als Parkplatz dient, wird einbezogen. Auf spielerische Art werden Verkehrszeichen in Teile eines Denkmals verwandelt. Der Betrachter wird als Autofahrer, der das Denkmal in doppeltem Sinne "er-fährt", einbezogen. An den Grenzen der Parkbuchten sorgen verfremdete Schilder, angebrannte Holzbalken und Ziegelsteinbrocken für Irritationen. Die Materialien thematisieren gleichzeitig den Brand der ehemaligen Synagoge (Pogromnacht 1938) und die jetzige "Zweck-Entfremdung" des Standortes.  Der auf die Asphaltdecke aufgetragene ziegelrote Grundriss der Synagoge unterstützt dieses Anliegen und betont zudem die fast vergessenen historischen Gegebenheiten, den tatsächlichen Standort des Cannstatter Synagogengebäudes im Zeitraum 1876-1938. Eine weitere Konkretisierung und Individualisierung des Erinnerns geschieht durch die Installation von zehn Metalltafeln mit Biographien jüdischer Cannstatter auf den Fensterrahmen des Treppenhauses des sich unter dem Parkplatz befindlichen Zivilschutzraumes. Durch den Betrachter, der das Denkmal bzw. den Parkplatz wieder verlässt, werden die Handlungsimpulse in die Stadt hineingetragen. Das Denkmal hat vor allem innovative Qualität; es verwendet zeitgenössische Gestaltungsmittel und ist weiter entwickelbar.“

Am 9. November 2004 wurde das „er-fahrbare“ Denkmal im Rahmen der Gedenkfeier an die Pogromnacht der Öffentlichkeit übergeben. Innenminister Heribert Rech, Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Schuster und Professorin Barbara Traub (als Sprecherin die Repräsentantin der Israelitischen Religionsgemeinschaft) enthüllten gemeinsam eines der verfremdeten Verkehrsschilder.

Die Instandhaltung des Synagogenplatzes ist seit 2005 Teil des Mitverantwortungskonzepts der SMV des Albertus-Magnus-Gymnasiums. Für viele Schülerinnen und Schüler wurde dies zum Einstieg in die Themenbereiche Judentum und Holocaust, häufig schließen sich weitere Projekte an.

In den fünfzehn Jahren seit der Neugestaltung wurde der Cannstatter Synagogenplatz von Gruppen und Initiativen für Erinnerungsveranstaltungen genutzt, die sich aber von den zentralen Feiern in Stuttgart abgrenzten. Die Materialien und Installationen des Schülerprojekts wurden immer wieder renoviert, Abnutzungs-und Alterungsprozesse waren aber unübersehbar.

Im Jahr 2020 stellten die Stadt Stuttgart und ein beauftragter Landschaftsgärtner fest, dass der ehemalige Cannstatter Platz im Stadtbild und von der Nutzung durch die Bürgerinnen und Bürger nach wie vor problematisch ist. Die Geschichte der Cannstatter Synagoge (1876-1938) und die Phasen der Auseinandersetzung und Neugestaltung (1981, 1987, 2004) würden nicht angemessen vermittelt. Der Platz habe „kaum Aufenthaltsqualität“. Die Situation für Fußgänger“ sei „unübersichtlich und umwegig“.

Die neue Platzgestaltung sollte die vorhandenen Elemente integrieren und ergänzen: Ein kleiner Platz mit Hainbuchen soll den Mittelpunkt bilden. Er sollte in den Straßenraum (in die König-Karl-Straße) hineinwirken und gleichzeitig an den dahinterliegenden Parkplatz angebunden werden. An der Grenzlinie zum Parkplatz sollten Stelen mit historischen und künstlerischen Informationen aufgestellt werden. Die Elemente des AMG-Projekts wurden weitgehend übernommen. Der Gedenkstein der Stadt Stuttgart von 1961 wurde versetzt, damit ein Ort des Gedenkens für größere Gruppen entsteht. Die neue Anlage wurde mit weißen Hortensien und weißen bodendeckenden Rosen bepflanzt. Einzelne Elemente sollen auch beleuchtet werden.

Das Albertus-Magnus-Gymnasiums wurde zu der Neugestaltung befragt und zu Besprechungen eingeladen. Viele weitere Vereine und Institutionen äußern ebenfalls ihre Meinungen und Wünsche.

(Alfred Hagemann)

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