"Andorra reloaded" auf der AMG-Bühne

Die Neuauflage der AMG-Theater-AG feierte am Freitag, dem 23. Juni 2023 mit der Premiere von Max Frischs Drama über Fremd- und Selbstwahrnehmung ein fulminantes Comeback.

"Andorra" ist die Geschichte des vermeintlichen Juden Andri, der von den Andorranern aus den verschiedensten Gründen zum Sündenbock gemacht wird. Das 1961 uraufgeführte Stück kann als Parabel auf die Zeit des Nationalsozialismus gelesen werden und thematisiert die Macht der Vorurteile und die Passivität gegenüber Ungerechtigkeit. In Zeiten von raschen Vorverurteilungen und dem Schutz der Anonymität in der Gruppe ist das Stück aktueller denn je und der Inszenierung ist es, unter der fachkundigen Regie von Frau Falkner und Herrn Schweizer, gelungen, diese Zeitlosigkeit und universelle Gültigkeit der Thematik darzustellen.

Bereits in den ersten Szenen wurden in einem schlichten aber ausdrucksstarken Bühnenbild mit reduziertem Personal die Kernprobleme des Stückes deutlich:

Der selbstverliebte Soldat Peider (Nikolas Bauer, J2) stellt Andris Verlobter Barblin ( Lara Koller, 10c) nach und sucht die Konfrontation mit dem in sich gekehrten Andri (Lorenzo Bez, J1). Dieser wiederum verzweifelt an der Tatsache, von allen Seiten als Außenseiter wahrgenommen zu werden. Jedes Verhalten Andris ist für die anderen Bestätigung der Vorurteile, die sie über ihn im Kopf haben. Selbst die Priesterin (Emilia Engelhaus, 10c), die vordergündig mit christlicher Nächstenliebe argumentiert, bedient letztlich rassistische Klischees, da sie ihre Zuneigung zu Andri auch mit seiner Andersartigkeit erklärt. Positiver Rassismus also. Andris Ziehvater Can (Hendryk Ferreira Grabowski, 10a) leidet psychisch und finanziell darunter, Andris Andersartigkeit mit einer Lüge verstärkt zu haben. Die Wirtin (Emelie Hanz, 10a) ist eine vielschichtige Figur, die einerseits Mitleid mit Andri hat, andererseits Profit aus der Situation schlägt und ihm letztlich als wehrloses Opfer die Schuld in die Schuhe schiebt.

Den Regisseuren gelang es, aus der Not (mit nur sehr wenigen DarstellerInnen) eine Tugend zu machen, indem das Figurenarsenal auf wenige zentrale Rollen beschränkt wurde, was den Konflikt aufs Wesentliche zuspitzte. Andris vermeintliche Andersartigkeit führt zum einen dazu, dass er irgendwann beginnt, selbst an die Vorurteile zu glauben und sich in seine Rolle zu fügen und zum anderen, dass er für die Anderen ein leichtes Opfer wird. Andris Entwicklung vom zwar nachdenklichen, aber noch unbeschwerten jungen Mann hin zum mehr und mehr desillusionierten, dem Untergang ohnmächtig entgegensehenden Zyniker wurde durch Lorenzo Bez' wandelbares Spiel sehr gut dargestellt.

Auch für schwer darstellbare Szenen wurde eine kreative und sehr detailverliebte Bildsprache gefunden, die vor allem vom großen tänzerischen Können von Emelie und Hendryk getragen wurde. Der Tanz als Metapher für zwischenmenschliche Begegnungen bildete das ganze Spektrum zwischen leichtfüßiger Verliebtheit, über vorwurfsvoller Unterhaltung bis hin zum brutalen Kampf ab.

Bei aller Ernsthaftigkeit des Themas kam auch der Humor nicht zu kurz, was sich v.a. an der überbordenden Spielfreude von Nikolas Bauer (J2) und der zwischen Wut und Verzweiflung wechselnden Figur des Vaters äußerte. Nachdem die Senora zwar im wörtlichen Sinne Licht ins Dunkel über Andris Herkunft gebracht hat, erkennen jedoch weder die Anderen noch Andri die Wahrheit. Und so kommt es, dass er in einer beklemmenden und zugleich absurden Gerichtsszene aufgrund seiner Andersartigkeit nicht nur für eine Tat verurteilt wird, die er nicht begangen hat, sondern sich die anderen auch keiner Schuld bewusst sind. Die Zeugenaussagen, in der der Großteil der Andorraner ihre Mitschuld an dem Verbrechen von sich weisen, wurde konsequent gestrichen, da die schulterzuckende Rückkehr in den gewohnten Alltag bereits Symbol genug ist.

Allein Andris Familie zerbricht an dem Verbrechen und die bittere Anklage "Geht heim vor euren Spiegel und ekelt euch“, trifft nicht nur alle Andorraner, sondern auch uns als Publikum, da wir ebenfalls viel zu oft nicht frei sind von dem Reflex, lieber wegzuschauen, statt einzugreifen.

(Gu)

Großartiger Support der Technik-AG

Unser besonderer Dank gilt der Technik-AG unter der Leitung von Herrn Buchholz, die mit großem Einsatz und Know-how die Umsetzung vieler Inszenierungsideen überhaupt erst möglich gemacht und mit Licht, Ton und technischen Effekten zur richtigen Zeit am richtigen Ort zum guten Gelingen der Aufführungen wesentlich beigetragen hat.

Fa/Sw

Bildergalerie der Premiere von "Andorra reloaded"


 

AMG-Theater-AG wieder auf der Bühne

Terminankündigung

Nach längerer Schaffenspause ist es uns allen, und ganz besonders unserer AMG-Theater-AG ein großes Vergnügen, demnächst wieder die große Aula-Bühne zu erobern! Dargeboten wird "Andorra Reloaded" nach Max Frisch, und zwar am kommenden Freitag (23.06.) und Samstag (24.06.) jeweils um 19 Uhr in der Aula des AMG.

Einlass ist ab 18.30Uhr. Der Eintritt ist frei, die Theater-AG freut sich jedoch über eine Spende!

Das wird ein großartiges Erlebnis! Lassen Sie es sich nicht entgehen!

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